Einleitung. In der heiligen Schrift werden die Feste מועדי ה׳ (göttliche Zeiten) genannt, zuweilen auch schlechthin מועד (Mehrzahl: מועדים, einmal und zwar 2. Chronik 8, 13: מועדות); in der Mischna bedeutet מועד (Mehrzahl מועדות, selten: מועדים) vorzugsweise diejenigen Tage des Pesaḥ- und des Hüttenfestes, die nur Festtage und nicht zugleich Feiertage (ימים טובים) sind, die wir daher genauer als Werktage der Festwoche (חל המועד) bezeichnen. In diesem engern Sinne ist das Wort מועד in der Ueberschrift unseres Traktates zu verstehen, während es im Titel unserer Ordnung, der סדר מועד lautet, in seiner weitesten Bedeutung zu nehmen ist. Zum Unterschied von diesem trägt die Massichta den Namen מועד קטן, wie man etwa die westasiatische Halbinsel zwischen Schwarzem und Mittelländischem Meer im Gegensatz zum ganzen Erdteil Kleinasien nennt. Nach dem Worte, mit dem der Traktat beginnt, wird er in älteren Werken zuweilen unter der Bezeichnung משקין angeführt. Von den am Feiertage untersagten Arbeiten (s. die Einleitung zu Massechet Jom Tob oder ביצה, Abs. 2) sind an den oben erwähnten Werktagen die für den Bedarf der Festwoche erforderlichen gestattet mit Ausnahme des Haarschneidens und des Kleiderwaschens, deren Verbot trotz ihrer Dringlichkeit in Kraft bleibt, damit man diese Verrichtungen nicht auf die Mussezeit der Festwoche verschiebe, sondern zum würdigen Empfange des Feiertags noch vor dessen Eintritt erledige. Alle übrigen Arbeiten sind nur dann erlaubt, wenn ihre Ausübung keine Mühe verursacht und ihre Unterlassung einen Vermögensverlust zur Folge haben würde, wobei zu beachten ist, dass entgehender Gewinn in dieser Beziehung nicht als Vermögensverlust gilt. Die Anwendung dieser beiden Grundsätze auf die verschiedenen Gebiete gewerblicher, insbesondere landwirtschaftlicher Tätigkeit bildet neben dem Verbote von Trauerfeiern und Hochzeiten den Gegenstand der beiden ersten Kapitel unserer Massichta. Das dritte behandelt die Ausnahmen von dem Verbote des Haarschneidens und des Kleiderwaschens, geht dann zu den Bestimmungen über schriftliche Arbeiten über und erörtert zum Schlusse die Wirkungen des Festes auf die Trauervorschriften. Seinem Inhalte nach sollte der Traktat unmittelbar auf Massechet Jom Tob (ביצה) folgen, und beide müssten, da sie die allgemeinen Gesetze umfassen, denjenigen vorangehen, die wie מגלה ,סכה ,יום הכפרים ,ראש השנה ,פסחים, die besonderen Vorschriften für die einzelnen Feste enthalten. Wir haben aber schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Traktate nicht nach inneren Zusammenhängen geordnet sind, sondern nach der Anzahl ihrer Kapitel. Daher מועד קטן und חגיגה, die den geringsten Umfang haben — beide zählen nur je drei Kapitel — am Schlusse der Ordnung. Daher auch der Rangstreit zwischen diesen beiden letzten Traktaten. In manchen Handschriften steht מועד קטן wie auch in unseren Mischnaausgaben und in der Tosefta vor חגיגה, in anderen wie auch in den Jeruschalmiausgaben nach חגיגה. Während Maimuni in seiner Einleitung zur Mischna den Traktat חגיגה ans Ende der ganzen Ordnung setzt, meinen die Tosafot (Mo‘ed ḳaṭan 28 b u. d. W. בלע), dass מועד קטן den Schluss des Seder bildet. Die Einzahl im Namen unserer Massichta erklärt sich daraus, dass hier nicht von den einzelnen Festen, sondern vom Feste als solchem gehandelt wird, wie ja auch die Ueberschrift des Traktats, der die allgemeinen Vorschriften über den Feiertag enthält, מסכת יום טוב und nicht מסכת ימים טובים lautet. Dass uns aber der Name der Ordnung ebenfalls in der Einzahl entgegentritt, ist allerdings auffallend. Hier durfte man סדר מועדות an Stelle von סדר מועד erwarten, worauf wir schon in der Einleitung zu פסחים (S. 168 g. E.) hingewiesen haben.